Finanzblasen: Tanzen, solange die Musik spielt!
Eine Analyse von Dr. Alexis Eisenhofer: 2906 Tage – Längster Bullenmarkt in der Geschichte des Dow Jones Index
Seit dem 9. März 2009 ist der Dow Jones Index von 6.547 Punkten auf 20.624 Punkte gestiegen. Der Index ist ein Kursindex. Neben hier nicht berücksichtigten Dividenden konnten Investoren +215% Kursgewinn verbuchen. Mit 2906 Tagen ist dieser Aufschwung der längste in der Geschichte des Dow Jones Index. Damit wurde der große Aufschwung von Oktober 1990 bis Juli 1998 kürzlich überholt. Es ist klar, dass immer mehr Menschen einen Rückschlag erwarten. Subjektiv haben viele das Gefühl, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht nachhaltig ist bzw. nicht nachhaltig sein kann.
Eine ungelöste Euro- und Staatschuldenkrise in Europa, drohende Handelskriege, nationalistische Tendenzen oder globale Flüchtlingswellen – die Liste von Risiken wird fast täglich länger.
Es gibt Gründe für die Verrücktheit von Anlegern
Finanzblasen entstehen aber nicht zufällig. Die Geschichte zeigt, dass sie ihren Ursprung immer in fundamentalen Veränderungen hatten. Meistens starten sie mit einer spannenden Erfindung wie der Eisenbahn oder dem Internet. Erfindungen schaffen immer Verwirrung über die Zukunft.
Neu in der aktuellen Situation ist sicherlich die einzigartige Geldschwemme der wichtigsten Notenbanken des Westens. Seit Lehman haben sich die Bilanzsummen der Notenbanken versiebenfacht. Gerade bei der EZB ist kein wirkliches Ende der Anleihenkäufe in Sicht.
Die gesunkenen Zinsen und die gestiegene Geldmenge haben alle Assetpreise inflationiert. Gerade Anleihen und Immobilien sind bis zur Perfektion gepreist. Die Zinsen können nicht weiter fallen, weil die Abschaffung des Bargelds nicht gelingt. Neben einem gewaltigen Kursänderungsrisiko kommen jetzt auch Ausfallrisiken hinzu, die bei der aktuellen Risikoprämie von 0% nicht bezahlt werden. Außerdem haben Anleihen (meistens) keinen Schutz gegen Inflation.
Aktien sind auch teuer, aber vermutlich in der aktuellen Situation noch das gerinste Übel. In der Wissenschaft gibt es einige Forschungsergebnisse zu Finanzblasen, die angesichts der aktuellen Entwicklung sehr spannend sind.
Nach Kursverdoppler ist eine Fortsetzung des Booms wahrscheinlicher als ein Crash
Der Yale-Forscher Will Goetzmann hat Finanzmärkte im 20. Jahrhundert untersucht. Er fand 72 Märkte, die sich in einem Jahr verdoppelt hatten. Im Folgejahr verdoppelten sich 6 nochmals, nur 3 halbierten sich und gaben die Gewinne wieder ab (Argentinien 1977, Österreich 1924 und Polen 1994). Für ein 3-Jahres-Zeitfenster fand Goetzmann 460 Verdoppler. In den folgenden 5 Jahren halbierten sich 10,4%. In den folgenden 3 Jahren halbierten sich nur 6%.
Eine Fortsetzung des Booms ist viel wahrscheinlicher als ein Crash. An der Börse gilt der Spruch, dass man tanzen soll, solange die Musik spielt. Gleichwohl sollte man wie bei der „Reise nach Jerusalem“ immer einen freien Stuhl im Blick haben.
Wichtig ist zu verstehen, „wohin der Baum fällt“. Vermutlich sind die größten Risiken im Moment bei Anleihen zu suchen. Ein Referendum in Italien, bei dem das Volk den Austritt aus dem Euro will, würde vermutlich eine Krise herbeiführen, die weitaus größer als Lehman wäre. Es würde klar werden, dass die Target2 Kredite im Euro-System abgeschrieben werden müssen, die Staatsanleihen Italiens (der drittgrößte Anleihenmarkt der Welt) würden ausfallen und europäische Pensionskassen und Versicherer in die Tiefe reißen.
Ich freue mich auf eine lebhafte Diskussion, „wohin der Baum sonst noch fallen könnte“!
Dr. Alexis Eisenhofer
Vorstand, financial.com AG
Seit mehr als 25 Jahren beschäftige ich mich mit Kapitalanlagen. Nach Studium und Promotion im Fach Kapitalmarktforschung begann ich eine unternehmerische Laufbahn als Technologiepartner von Thomson Reuters, einem weltweit führenden Anbieter von Finanzinformationen.
Quelle: xing.de