Mitten ins Herz: Diese Fähigkeiten machen digitale Leader erfolgreich und glücklich
Die Führungskräfte von morgen sind Beziehungsmanager
Die Digitalisierung bringt nicht nur neue Geschäftsmodelle mit sich, sie setzt auch alte Managementtheorien außer Kraft. Starre Prozesse werden von temporären Projekten mit wechselnden Verantwortlichkeiten abgelöst. Die Folge: flachere Hierarchien und mehr Demokratie.
Was also macht eine Führungskraft von heute aus? Die Fähigkeit, Veränderung und Wandel zu gestalten. Konkrete Vorschläge, wie das in der Praxis aussehen kann, habe ich gemeinsam mit Kollegen des acatech HR-Kreises entwickelt. Das Konzept wurde der Bundesregierung letzte Woche vorgestellt.
Viele Unternehmen trauen ihren Führungskräften diese Expertise aber nicht zu. Man holt Consultants an Bord, die den erforderlichen Wandel von außen einleiten sollen. Warum setzt man nicht auf die eigenen Leute? Die wissen eigentlich am besten, wie der Laden läuft.
Wir müssen sie jedoch dazu befähigen, sich in einer überreizten, überkomplexen Umgebung auf sich selbst zu besinnen. Für das Business bedeutet das einen Paradigmenwechsel. Es verlangt von uns einen anderen Begriff von Menschenführung. Und eine neue Losung: Prozesse loslassen, Kontrolle abgeben, trotzdem eindeutig Führung behalten. Klingt leicht, ist es aber nicht.
Mehr Achtsamkeit!
Denn für die Führungskräfte von morgen bedeutet dies, dass sie sich als Beziehungsmanager verstehen müssen. Ihre Aufgabe besteht darin, Mitarbeiter aller Hierarchieebenen so zu vernetzen, dass sie erfolgreich zusammenarbeiten können. Dafür müssen sich Führungskräfte als „emotional leader“ begreifen, die ihre Mitarbeiter inspirieren, sich für die gemeinsamen Ziele zu engagieren. Dazu gehört es, deutlich zu machen, welche Ergebnisse sie von ihren Mitarbeitern erwarten und warum diese wichtig sind.
Unternehmen müssen ihre Führungskräfte entsprechend befähigen. Bei innogy haben wir uns intensiv mit dieser Aufgabe beschäftigt. Das Ziel, das ich mir und meinem Team gesetzt habe, ist anspruchsvoll: Wir wollen in unseren Leitungsebenen ein Mindset verbreiten, das zu diesen Erfordernissen passt. Achtsamkeit ist das dazugehörige Stichwort. Wir wollen, dass unsere Manager sich selbst eher vertrauen und besser auf sich und andere achten. Achtsamkeit für sich und andere ist uns nicht in die Wiege gelegt. Sie muss gelernt, gefördert und vor allem gelebt werden. Das erfordert eine Unternehmenskultur, die Freiraum für mehr Selbstreflexion schafft. Unser Gehirn ist darauf getrimmt, alle Wahrnehmungen sofort zu bewerten. Dieser Reflex hilft im täglichen Business, schnelle Entscheidungen zu treffen. Aber zugleich zementiert er auch Denkgewohnheiten und lässt wenig Raum für Innovation. Das Konzept der Achtsamkeit birgt daher eine radikale Aufforderung: Gib den vertrauten Denkreflexen nicht nach!
Runterschalten!
Dazu müssen Manager meist erst einen Gang herunterschalten. Lernen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Raum schaffen für zukunftsfähige Ideen und Lösungen, die das Unternehmen im Wettbewerb halten und fit für den digitalen Wandel machen. Eine Kollegin bemerkte dazu einmal treffend: „Es ist, als sei der Kopf ein Glas voll Wasser und Sand. Wenn ich den ganzen Tag mit dem Löffel herumrühre, ist alles trüb. Wenn ich zur Ruhe komme und der Sand sich am Boden absetzen kann, habe ich wieder den Durchblick.“
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man auf Probleme nicht (nur) mit Struktur- und Prozessoptimierung reagieren sollte. Denn das ändert nichts am Verhalten. Wer sich seiner Emotionen bewusst ist, kann sie reflektieren und mit Abstand betrachten und handelt dadurch bewusster und nicht impulsiv und reflexartig. Das eröffnet einen größeren Handlungsspielraum, der schließlich bessere Ergebnisse ermöglicht. Und es sind meist die kleinen Dinge – die „Hier-und-Jetzt-Momente“ – die Veränderungen ermöglichen. Dafür muss ein Bewusstsein geschaffen werden.
In meinem Team starten wir beispielsweise mit einer Mindful Minute ins Meeting: Auf den eigenen Körper achten, Emotionen wahrnehmen, auf den Augenblick konzentrieren und die Gedanken fokussieren. Insgesamt nehmen wir Fahrt raus, besinnen uns auf das Wesentliche, sind sensibler für die Stimmung anderer und können besser auf einander eingehen. Kleine Änderung – große Wirkung: Wir kommunizieren offener und direkter und damit schlussendlich auch effizienter.
Radikale Veränderungen! Mehr Pioniergeist!
Die Führung über Empathie, das Aufbrechen von Verhaltensmustern mittels systemischer Wahrnehmung, das sind keine brandneuen Methoden. Sie sind in meinen Augen aber alternativlos, will man die Herausforderungen der Digitalisierung stemmen. Bei innogy sind sie daher verpflichtende Leistungskriterien, an denen sich unsere Manager künftig messen lassen. Nur durch ein neues Bewusstsein gegenüber diesen vermeintlich „weichen“ Faktoren der Unternehmensführung werden wir nachhaltige Veränderungen und damit den nötigen Kulturwandel schaffen. innogy betritt Neuland, heißt es. Um mit Marcel Proust zu sprechen, besteht für uns jedoch „die wahre Entdeckung nicht darin, Neuland zu finden, sondern die Dinge mit neuen Augen zu sehen.“ Der digitale Wandel braucht Pioniere. Was diese als Rüstzeug für eine moderne Arbeitspolitik benötigen, würde ich an dieser Stelle gerne künftig mit Ihnen diskutieren.