Dinge, die nach der Pandemie besser und schneller gehen werden

Episode 1 – Kfz-Nummernschilder?

von Mario Kraus, am
Nummernschild online-banker

Quelle für beide Bilder: Mario Kraus

Bitte im Wartebereich den Zettel am Briefkasten beachten. Der Knaller!

Wer Ende März 2020 ein Auto an- um- oder abmelden möchte, der steht vor einer Herausforderung: Kfz-Zulassungsstellen haben geschlossen. OK, fast alles hat in diesen Tagen geschlossen: Kindergärten und Schulen, Friseure, Gast- und Sportstätten, Bankfilialen, Solarien und Nagelstudios, Spielwarenläden und auch Autohäuser. Auch wir machen mit unseren Teams wie viele andere Menschen derzeit #homeoffice. Und es funktioniert erstaunlich gut mit den Menschen, die wir begleiten dürfen. Warum sich also gerade um den Wechsel eines Kfz Gedanken machen, wo wir doch sowieso #zuhause bleiben sollen?

Naja abgesehen davon, dass durchaus gerade in dieser Ausnahmesituation Menschen gebraucht werden, die in systemrelevanten Berufen arbeiten und die ihre aktuellen Wirkungsstätten nicht zwingend mit den Öffis erreichen können, dass insbesondere Lebensmittel und Toilettenpapier mit Fahrzeugen zu den Geschäften transportiert werden wollen und dass nicht jeder Mensch einen Supermarkt direkt vor der Haustüre hat gibt es Dinge, die einfach passieren. Verkehrsunfälle beispielsweise. Was tun also, wenn nach einem Verkehrsunfall mit Totalschaden das geliebte Fahrzeug verschrottet und abgemeldet werden muss, Versicherung und Steuer für dieses Fahrzeug beendet werden sollten und ggf. möglicherweise ein gebrauchtes Ersatzfahrzeug privat angeschafft und zugelassen bzw. umgemeldet werden muss? Das ist gerade schwierig.

Warum ist das so schwierig? Es gibt keinen (mir bekannten) Online-Prozess für diese Anwendungsfälle. Und das war in Deutschland, wo alles von Behörden geregelt wird, bislang auch nicht nötig. Geregelt ist, dass jedes Fahrzeug ein Nummernschild braucht, viele Fahrzeuge brauchen mehrere davon. Warum eigentlich? Als Nachweis dafür, dass das Fahrzeug zugelassen, pflichtversichert und korrekt versteuert ist. Und natürlich zur Halterermittlung für Geschwindigkeitsübertretungen und Parkverstöße nehme ich an. Ich weiß nicht, wann Nummernschilder eingeführt wurden, will das auch nicht googeln und ich bin mir sicher, dass je ein Aufkleber für die Stadt/den Landkreis, in dem ein Fahrzeug zugelassen ist, für den Termin der nächsten Haupt- und vielleicht sogar noch Abgasuntersuchung irgendwann einmal Sinn gemacht haben. Und wenn man sowieso bei einem Schilderhersteller, der praktischerweise gegenüber der Zulassungsstelle ist, genormte Schilder kaufen muss, dann nimmt man den Gang zur Zulassungsstelle für die Stempel nun mal in Kauf, bringt einen Nachweis über die Versicherung, seinen Ausweis und die Fahrzeugpapiere mit. Und Geld natürlich, oder wie in diesem Tagen plötzlich entdeckt wird die Karte, vielleicht sogar kontaktlos, wenn der Kassenautomat in der Behörde das mitmacht. Damit stellt man sich in eine Schlange oder zieht eine Nummer und nimmt im meist gut gefüllten Wartebereich Platz. Genau deshalb haben die Kfz-Zulassungsstellen wohl während der Corona-Ausgangsbeschränkungen geschlossen: wegen der stets gut gefüllten Wartebereiche. Und weil diese Bereiche seit Jahrzehnten gut gefüllt waren, könnte man argumentieren, dass es ja nie eine Notwendigkeit für einen Online-Prozess gab: die Menschen kamen ja offensichtlich immer „gerne“ in diese Wartebereiche.

Auf mich trifft das nicht zu. Ein Auto anzumelden, hat mir noch nie so richtig Freude bereitet. Und gäbe es eine Möglichkeit, dies online zu tun, würde ich das so gerne nutzen, wie online ein Wunschkennzeichen auszusuchen, was man ja schon länger machen kann. Ich nehme ernsthaft an, dass es vielen Menschen so geht. Der Besuch einer Kfz-Zulassungsstelle ist ein notwendiges Übel, welches man gerne vom Autohaus oder einem professionellen Zulassungsdienst erledigen lässt. Apropos Kennzeichen: das mit den Stempeln auf den Kennzeichen vom Shop gegenüber der Zulassungsstelle ließe sich sicher auch irgendwie per Versand lösen. Aber es würde insgesamt sicher mehrere Tage dauern, bis die fertigen Nummernschilder für ein Fahrzeug geliefert würden.

Das bringt mich wieder zur Frage: warum brauchen wir Nummernschilder? Jedes Kfz hat eine Fahrzeug-Identifizierungsnummer. Kfz-Hersteller geben sich große Mühe, diese eindeutige Identifikationsnummer so an den Fahrzeugen anzubringen, dass diese möglichst nicht gefälscht oder entfernt werden können. Bei meinem Fahrzeug ist diese Nummer durch die Windschutzscheibe auf der Fahrerseite sichtbar, aber ich komme nicht ohne Fachwissen oder ohne Schaden anzurichten an das Schild. Ich will das auch nicht. Entscheidend für die Betrachtung in diesem Gedankenspiel ist, dass die Nummer da ist. Und ein Verkehrsüberwacher, der mein Auto beim Falschparken identifizieren möchte, kann diese Nummer ebenso sehen wie ich. Wahrscheinlich ist diese besondere Nummer noch an 3, 4 oder 152 weiteren Stellen im Fahrzeug angebracht: Motorblock, Fahrzeugrahmen, Unterboden, Dach, wer weiß. Auch das möchte ich nicht googeln. Also eine individuelle Nummer für jedes Fahrzeug gibt es und sie ist möglicherweise an vielen Stellen eines Autos auffindbar, schwer zu entfernen oder zu fälschen. Schwerer jedenfalls als ein Nummernschild. Nur ganz groß auf den Stoßstangen, Schutzblechen, Motorhauben oder Heckklappen von Fahrzeugen ist sie nicht sichtbar. Dort bringt man ergänzend zu den individuellen Fahrzeugdaten andere individuelle Schilder an, die jederzeit an- und abgeschraubt werden können, vielleicht auch überklebt, bemalt oder mit einem Wechselmechanismus versehen wie im Agentenfilm. Warum es diese Extra-Schilder braucht, erschließt sich mir nicht.

Angenommen, man könnte auf diese Schilder verzichten, die uns möglicherweise als Fahrer eines Autos aus Berlin, München oder aus dem Main-Taunus-Kreis in Hessen outen. Lassen wir den Gedanken nur mal kurz zu. „Das geht nicht“ sagt man dieser Tage ja nicht mehr. Politiker versprechen uns, dass Geld keine Rolle spielt. Die Versichertenkarte beim Arzt muss man nicht mehr zu Beginn des neuen Quartals vorlegen, Überweisungen und Rezepte werden unbürokratisch telefonisch angefordert, per WhatsApp zugestellt und Arbeitgeber akzeptieren eine Krankmeldung telefonisch oder per Mail. Alles „natürlich“ nur für eine Übergangszeit, weil wir eine Ausnahmesituation haben. Danach läuft alles wieder „geregelt“. #homeoffice geht plötzlich für viele Menschen, erstaunlicherweise sogar in Firmen, die bislang das Wort alleine gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser. Menschen machen in ihren Vorgärten Musik, ohne dass sofort die Polizei kommt, weil der Nachbar die Lärmbelästigung angezeigt hat. Also in dieser Zeit, in der plötzlich innerhalb von Tagen alles möglich und vieles digital wird nehmen wir mal rein hypothetisch an, dass es keine Kfz-Kennzeichen mehr braucht.

Wir stellen uns vor, dass statt dieser Kennzeichen die Fahrzeugidentifizierungsnummer von den Herstellern auch groß und gut sichtbar auf Fahrzeugen angebracht wird. Möglichst fälschungssicher, quasi unentfernbar. Auf dem Dach eines Autos eingeprägt, in die Scheiben eingraviert oder vielleicht auch als Schild auf einem Plastikhalter, wie heute ein Nummernschild, möglicherweise sogar digital auf einem Display, weil es so schick aussieht. Und dann nehmen wir weiter an, dass diese Nummer als Login bei einer Online-Zulassungsstelle dient. Oder wir gehen in unserer Fantasie so weit, dass jeder Mensch eine Art von „Behörden-Login“ hat. Vielleicht sogar einen Ausweis, der für digitale Services nutzbar ist, nennen wir ihn mal „neuer Personalausweis (nPA)“. Und mit diesem Login meldet ein Mensch online, dass er ein Auto (ein ganz bestimmtes Auto, mit einer eindeutigen Identifizierungsnummer) an-, ab oder ummeldet. Verkäufer und Käufer von Gebrauchtwagen nehmen die Umschreibung online nahezu in Echtzeit mit der Übergabe von Geld und Fahrzeugpapieren vor. Die Versicherung wird sofort informiert und natürlich bekommt der Staat weiterhin seine Steuern. Die Gebühren für das Procedere sinken, weil der Standardprozess kein Personal erfordert und wir zahlen direkt online, wie wir es vom Shopping kennen. Klingt einfach. Geht natürlich nicht. Pardon, ging bis Mitte März 2020 nicht. Viel zu viele Hürden, Beteiligte, Vorschriften. EU-, Bundes-, Landeshoheit, schwer zu koordinieren, etc.

In der „Umsetzungsstrategie Digitalisierung“ der Bundesregierung, die 2018 möglicherweise initiiert, über die 2019 vielleicht irgendwo viel diskutiert und die 2020 anlässlich der Corona-Krise erstmal vergessen wurde, hat dieses Thema mit Sicherheit irgendeine Priorität im „Handlungsfeld Moderner Staat“ oder „Digitalisierung der Verwaltung“. Zwischen Dienstekonsolidierung, Digitalisierung in der Finanzverwaltung, Zukunftsprogramm Digitales Leben, ElterngeldDigital und BAföG-online ist mit Sicherheit auch der hier angesprochene Prozess irgendwo einsortiert, budgetiert und priorisiert worden und wäre ohne Corona möglicherweise in einer der nächsten Legislaturperioden bis zum Jahr 2099 angegangen worden. Nun, da wir vieles aus der Not heraus mal eben digitalisieren, einiges auch einfach überdenken und ein paar Sachen sogar einfach weglassen, kann man wie in vielen anderen Lebensbereichen auch bei dieser Kfz-Sache mit einem Minimum Viable Product starten, z.B. einfach mal Autos online abmelden, die Aufkleber dann zuhause von den Nummernschildern kratzen lassen. Alles geht plötzlich, Geld spielt (naja, fast) keine Rolle. Ich freue mich über diese Einstellung.

Einer meiner Lieblings-Aussprüche beim Predigen der Digitalisierung für frühere Arbeitgeber und Kunden war immer „Die Not ist noch nicht groß genug“. Jetzt ist die Not ganz plötzlich da. Und ich freue mich keinesfalls darüber. Aber ich freue mich auf die Zeit danach. Wenn wir hoffentlich selbst gesund sind und die Kraft haben, uns in der Trauer um den Verlust geliebter Menschen gegenseitig beizustehen. Und wenn viele Menschen, Institutionen, Auftrag- und Arbeitgeber erkennen, dass „einfach machen“ bei der Digitalisierung gar nicht so verkehrt ist. Wir erleben doch gerade, dass es geht. Ich freue mich auf einfache Prozesse, auf kundenfreundliche Produkte und auf die neuen Geschäftsmodelle, die entstehen. Beispielsweise für die Hersteller von Kfz-Nummernschildern in den kleinen Geschäftchen gegenüber der Kfz-Zulassungsstelle.

Was auch immer es braucht, um die Zukunft zu gestalten: wir versprechen, dass wir bereit sind, uns einzubringen. Mit hochgekrempelten Ärmeln, mit Erfahrung und mit dem Mut, Dinge einfach zu machen.

 

Viel Erfolg uns allen dabei. Freuen wir uns gemeinsam auf das, was nach der Pandemie kommt.

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