Dinge, die nach der Pandemie besser werden müssen

Episode 3 – uneingeschränkter, unbegrenzter Internetzugang für alle

von Mario Kraus, am

Deutschland im April 2020. Wir haben #homeoffice und #wirbleibenzuhause. Menschen halten sich an die Vorgaben der Regierung, sind daheim und halten online Kontakt mit ihren Liebsten. Wir skypen, wie die Bundeskanzlerin es wünscht. Oder machen FaceTime, WhatsApp Videoanrufe mit Freunden und natürlich die Webkos mit den Kollegen, die auch brav im Wohnzimmer oder am Esstisch arbeiten. Mit dem Smartphone, dem Laptop und einem noch schnell besorgten Zusatzmonitor. Viele haben es komfortabel daheim, mit WLAN, Kuschelecke, Heimkino und vielleicht sogar Fitnessraum. Für andere war Zuhause bislang ein Ort zum Schlafen und Duschen und nicht mehr. Diese Menschen sind besonders belastet, weil ihre Wohnung nie für einen wochenlangen ununterbrochenen Aufenthalt gedacht war. Und sie müssen außerdem mit ihrem „Datenvolumen“ haushalten. Einige Deutsche hängen sogar noch im Ausland fest und müssen sich ernsthaft Sorgen um die „Roaminggebühren“ machen. Kosten für den Zugang zu Informationen und Kommunikation mit dem Smartphone – das sollte nach meiner Auffassung das Letzte sein, worüber ein Mensch sich aktuell Sorgen machen muss. Ist es aber leider nicht.

Warum ist „Datenvolumen“ eigentlich begrenzt? Wer entscheidet das und auf welcher Grundlage? Warum gibt es das nicht auch bei „Fernsehzeit“ oder beim Radiohören im Auto? Die Mitdenker unter uns haben nun schon das Wort „Rundfunkstaatsvertrag“ auf den Lippen. Jaja, stimmt schon. Fakt ist, Radiohören kannst du überall. Das ist einfach da. Unbegrenzt. Das kostet zwar irgendeine Gebühr. Wenige Menschen wissen auswendig wieviel pro Monat/Quartal oder Jahr. Und viele Menschen zahlen diese Gebühr eher wiederwillig. Aber Radio ist da. Sogar wenn du nicht zahlst. Die Rede von Dr. Markus Söder zur Verlängerung der Ausgangsbeschränkungen haben sich aber viele Menschen in Bayern nicht im Radio angehört, sondern eher auf Facebook angeschaut. Auf Kosten ihres… Datenvolumens.

Vor einigen Jahren hatte ich ein Diensthandy mit einem Vertrag, der ein monatliches Datenvolumen von 1 GB beinhaltete. Und da ich dieses Handy auch nutzte, also Mails versendete und empfing, in Social Media arbeitete, im Internet surfte und gelegentlich auch die Navigationsfunktionen nutzte, war das Datenvolumen meist vor Monatsende aufgebraucht. OK, telefoniert habe ich mit dem Gerät auch. Aber wenig und in diesem Kontext ist das auch irrelevant. Anfangs reichte das Datenvolumen noch bis zum 20. eines Monats und immer öfter war es immer schneller aufgebraucht. Dann hieß es entweder langsam weitersurfen. Und zwar sehr langsam, quasi unbenutzbar. Oder nachzahlen, so wie früher in der Telefonzelle, die gnadenlos die Verbindung kappte, sobald das eingeworfene Guthaben für „Einheiten“ aufgebraucht war.

Später wurde das Volumen meines Mobilfunkvertrags auf ein paar GB mehr monatlich erhöht. Und irgendwann habe ich den Vertrag für meine damals neue kleine Firma übernommen und ganz stolz auf 10 GB aufgestockt. Mehr gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. Doch mit den 10 GB ging es mir recht bald wie früher mit dem einen Gigabyte. OK, zwischenzeitlich habe ich auch viel mobil gearbeitet und mein MacBook war nie zögerlich dabei, sich das Datenvolumen aus meinem iPhone zu saugen. Ich streame eigentlich keine Musik oder Filme, will auch nicht im Detail nachvollziehen, wofür welche Datenmengen ge- oder verbraucht werden, wieviel sogenannte Hintergrunddienste verwenden, etc.

Fakt ist, die 10 GB waren manchmal nach drei Tagen weg. Und das Zubuchen von Datenvolumen kostete richtig viel Geld. Ich erinnere mich an ca. 5 Euro pro Tag!

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Irgendwann empfahl uns ein Geschäftsfreund via Facebook, unsere Verträge auf unlimitiertes Datenvolumen zu erweitern. Also kein Pseudo-Unlimited, das nach 1, 10 oder 50 GB mit reduzierter Geschwindigkeit daherkommt. Sondern wirklich FLAT. LTE max unlimited, jeah! Das kostete irrsinniger weise weniger, als der 10 GB-Vertrag, den ich bis dato hatte. Also nun, nach etwa 10 Jahren zunehmender Smartphone-Nutzung und einigen iPhone-Modellen, mussten wir uns keine Gedanken mehr über Datenvolumen machen. Das wirkte sehr befreiend.

Beim Festnetz hat sich schon vor Jahren eine Telefon- und Internetflat durchgesetzt. Kaum jemand machte sich Zuhause noch Gedanken darüber, wie lange er telefoniert oder surft. Die Zeiten, in denen AOL uns DVDs mit Freiminuten fürs Surfen zuschickte, waren lange vorbei. Die technische Entwicklung ging schnell weiter, sodass viele Menschen inzwischen überhaupt keinen Telefon- oder Internetanschluss mehr in der Wohnung haben. Warum auch? Das Festnetztelefon klingelte fast nie. Auch jetzt nicht, im #homeoffice. Mein Smartphone ist doch immer da wo ich bin, oder? Und ich kann es als Hotspot für alle Geräte nutzen, unabhängig davon wo ich bin. Genau diese grenzenlose Freiheit wird auch in den TV Werbespots der großen Netzbetreiber beworben. Dass diese Freiheit durch Begrenzung der Menge von Bytes, die hin und her gesendet wird beschränkt wird, erwähnt man in der Werbung nur am Rande oder in einer Fußnote. Wir sind beim Abrechnungsmodus für unsere Handyverträge also wieder in der AOL-Zeit, wo wir uns über Freiminuten (oder Gigabytes) zum Surfen freuen würden. Dann freuen wir uns lieber auf die nächste Stufe der Evolution. Flat für alle!

Darüber, wieviel ich bereit bin finanziell zu investieren, regelt sich also aktuell noch wie viel/lange ich mein Smartphone wie gewohnt nutzen darf, richtig? Also Menschen, die entweder mehr Geld zur Verfügung haben oder zumindest bereit sind, mehr Geld für Mobilfunk auszugeben, dürfen in der aktuellen Situation mehr und länger (in akzeptabler Qualität) Kontakt zu ihren Liebsten halten. Und wer weniger Geld hat oder nicht einsieht, mehr als ein selbstgewähltes Budget von sagen wir 10, 20 oder 25 Euro an Magenta, Rot, Blau oder sonst eine farbenfrohe Netzgesellschaft zu zahlen, der bleibt virtuell gesehen alleine. Oder er nutzt die viele Zeit, die er jetzt gewonnen hat, zum Warten, weil seine Internetverbindung aufgrund eines willkürlich festgelegten Limits, welches er überschritten hat, gedrosselt wurde. Echt jetzt?

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Wer entscheidet denn bitte, wieviel vom weltweiten Internet ich ganz persönlich in welcher Zeit mit welcher Geschwindigkeit nutzen darf? Unser Staat verkauft regelmäßig Mobilfunklizenzen an Netzbetreiber für Milliardenbeträge. Das tut der Staatskasse gut. Die Netzbetreiber gehen damit zwar eine Verpflichtung ein, nämlich Netzinfrastruktur auf- bzw. auszubauen. Sie erwerben bei diesen Auktionen allerdings auch die Lizenz zum „Geld drucken“. Die Infrastruktur, die sie herstellen, verträgt vermutlich nur eine begrenzte Anzahl gleichzeitiger Nutzer bzw. eine begrenzte Nutzungsintensität. Und wahrscheinlich muss eine Grund-Verfügbarkeit für die Telefonie von Geheimdiensten, das Skypen der Bundeskanzlerin, etc. vorgehalten werden, die immer in bester Qualität verfügbar sein soll. Und um die restliche „Bandbreite“ bestmöglich zu vermarkten, dachten sich Anbieter ein Limit pro Tag oder Monat aus, auf das der einzelne Nutzer beschränkt wird. Dieser Wert wurde mit Sicherheit überschlägig berechnet, aber letzten Endes relativ willkürlich festgelegt. Und mit Blick auf die Wettbewerber wurden dann Tarife angeboten, die „marktgerecht“ sind. Leider sind diese Tarife nicht zwingend auch „nutzergerecht“.

In der Corona-Krise reagieren viele Netzbetreiber nun schnell und verdoppeln das vertraglich vereinbarte Datenvolumen. Und siehe da – die Infrastruktur hält das aus. Eine stärkere Belastungsprobe als dieser Tage hat es für die gesamte Netzinfrastruktur und insbesondere für das Mobilfunknetz bislang höchstens zu einzelnen Stunden um den Jahreswechsel gegeben, wenn Millionen von Neujahrswünschen innerhalb weniger Minuten zugestellt werden sollten.

Aktuell machen Neudefinitionen der Maslowschen Bedürfnispyramide in Social Media die Runde. In diesen zugegeben etwas ironischen Darstellungen rangieren WLAN und Akku noch unter den Grundbedürfnissen Essen und Schlafen. OK, Nudeln und Toilettenpapier werden auch aufgeführt, aber das ist der aktuell besonderen Situation mit Hamsterkäufen geschuldet. Im „Grundbedürfnis“ WLAN steckt schon eine ordentliche Portion Wahrheit. Ohne Netz während einer Ausgangsbeschränkung wochenlang zuhause zu sein möchten sich viele von uns sicher nicht einmal vorstellen. Das klingt nach kaltem Drogenentzug, den wir zwar nur aus Filmen kennen, der aber einen unvorstellbar schmerzhaften Eindruck auf uns macht.

Ich freue mich auf eine Zeit, in der sich niemand mehr durch eine Pseudo-Verknappung davon abhalten lassen muss, sich zu informieren, zu kommunizieren, digital zu interagieren. Der Markt wird das vermutlich nicht zeitnah regeln. „Datenvolumen“ macht die Netzbetreiber erfolgreich, bezahlt die Mobilfunk-Lizenzen, beschert dem Staat Milliardeneinnahmen. Obwohl, die Corona-Krise wird den Niedergang der Pseudo-Begrenzung „Datenvolumen“ vermutlich etwas beschleunigen. Aber für wirklich freien, unbegrenzten Netzzugang wird der Staat eingreifen müssen. Wenn die Bundeskanzlerin die Nation auffordert zu skypen, dann sollte sie dafür sorgen, dass dies auch jedem von uns möglich ist. Freies WLAN (oder wie immer man das dann auch nennt) für alle Menschen muss so selbstverständlich werden, wie ein Radio nutzen zu können. Breitbandausbau ist auf dem Vormarsch. Wie lange das noch dauern wird, weiß ich nicht. Breitbandnutzung ist jedenfalls vorhanden. Wer wem wieviel wovon geben muss, damit „Netz“ für alle kostenlos und überall unbegrenzt verfügbar ist, weiß ich nicht. Aber es muss kommen.

Was auch immer es braucht, um die Zukunft zu gestalten: wir versprechen, dass wir bereit sind, uns einzubringen. Mit hochgekrempelten Ärmeln, mit Erfahrung und mit dem Mut, Dinge einfach zu machen. Viel Erfolg uns allen dabei. Freuen wir uns gemeinsam auf das, was nach der Pandemie kommt.

 

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Kommentare, Likes und freundliche Hassbotschaften sowie Input für weitere Dinge, auf die wir uns bald freuen möchten, gerne direkt an Mario Kraus und Mandy Müller.